- Bubbles
- von Professor Dr. Wolfgang GerkeBubbles oder Seifenblasen bezeichnen in der Börsensprache erhebliche Abweichungen der am Markt gezahlten Preise von den fundamentalen Werten der gehandelten Titel. Sie beruhen zumeist auf massenpsychologischen Phänomenen, wie z.B. dem Herdenverhalten. Bubbles lassen sich erst dann identifizieren, wenn sie geplatzt sind. Häufig werden unter Bubbles nur positive Kursübertreibungen verstanden, wie sie in der Internet Bubble 1999 zu beobachten waren. Ein empirischer Nachweis von Fehlbewertungen an den Börsenmärkten stößt schnell an Grenzen der Beweisbarkeit, da sich an den realen Kapitalmärkten die fundamentale Werthaltigkeit eines Unternehmens nicht zweifelsfrei ermitteln lässt.I. Historische BubblesBereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts wird in der Literatur unter dem Begriff „Tulpenmania“ eine Preisblase erwähnt, deren Spekulationsobjekt der Handel von Tulpenzwiebeln in Holland war. Kennzeichnend für die Tulpenmania war, dass sich an zwei weitgehend unabhängigen Märkten, für hochwertige und für minderwertige Tulpenzwiebeln, stark korrelierende Preisentwicklungen vollzogen. Dabei beeinflusste die Preisentwicklung für seltene Tulpenzwiebeln diejenige für gewöhnliche so nachhaltig, dass sich das Preisniveau für letztere zu einer spekulativen Blase entwickelte.Die Mississippi-Bubble in Frankreich sowie die South-Sea-Bubble in England ereigneten sich jeweils in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die hohen Staatsverschuldungen Frankreichs und Englands führten jeweils zur Gründung einer Gesellschaft, der sämtliche Rechte aus dem Handel mit den Kolonien Nordamerikas bzw. Südamerikas von staatlicher Seite zugesprochen wurden. Breite Bevölkerungsschichten konnten durch einen Tausch von Staatsanleihen Aktien dieser Gesellschaften erwerben. Die große Nachfrage nach diesen Aktien sowie überzogene Kurssteigerungserwartungen führten schließlich zum Platzen der Spekulationsblasen. Während der Industrialisierung und Exploration der amerikanischen Bodenschätze wurden durch verbreiteten Emissionsschwindel und Betrügereien häufig wertlose Aktien spekulativ in die Höhe getrieben.Im 20. Jahrhundert wiederholten sich ähnliche Betrugsfälle und Übertreibungen an den Börsen. Die nach dem Ersten Weltkrieg zunehmende Industrialisierung und Massenproduktion im Automobilsektor sowie die mit der Rundfunktechnologie verbundenen Wachstumserwartungen führten zu unrealistischen Gewinnprognosen bei den Investoren. Amerikanische Investmentfonds und Privatanleger verschuldeten sich im Verlauf der spekulativen Übertreibungen und schlossen in Erwartung weiter steigender Aktienkurse in großem Umfang Termingeschäfte ab. Das Zerplatzen der Wall Street Bubble löste eine einschneidende Weltwirtschaftskrise aus, von der sich auch Deutschland viele Jahre nicht erholte.Die jüngste Spekulationsblase beruhte auf ähnlichen Faktoren wie ihre Vorgänger. Herdenverhalten, Gier, betrügerische Businesspläne und die Euphorie über eine neue Technologie erfassten private Anleger ebenso wie Investmentfonds und Versicherungen. Das Platzen der Internet-Bubble im Jahr 2000 bedeutete ähnlich wie bei der euphorischen Bewertung des Eisenbahnbaus, der Fließbandproduktion von Automobilen und des Rundfunks nicht den Niedergang der jeweils neuen Technologien, sondern eine intensive Marktbereinigung.II. Formen von BubblesVoraussetzungen für das Auftreten von Bubbles sind die Lagerfähigkeit und die Beständigkeit der gehandelten Objekte, heterogene Erwartungen unter den Marktteilnehmern, hohe Fungibilität der Titel bei geringen Transaktionskosten und Märkte, die von Stimmungen beeinflusst werden.In Abhängigkeit von der Lebensdauer der Fehlbewertung einer Bubble-Crash Sequenz differenziert man nach Fads, Sunspots und Famous Bubbles. Fads sind kurzfristige Modeerscheinungen. Durch Extrapolation des zunächst fundamental gerechtfertigten Preistrends wird eine Fehlbewertung ausgelöst. Sunspots sind ebenfalls kurzfristig, werden aber im Gegensatz zu Fads von allgemein beobachtbaren, ökonomisch aber irrelevanten Ereignissen hervorgerufen. Famous Bubbles weisen im Vergleich zu Fads und Sunspots eine längerfristige Lebensdauer auf und finden ihren Ursprung in fundamental gerechtfertigten Daten.Bubbles durchlaufen einen Lebenszyklus. Auslöser einer Bubble ist häufig eine Innovation, die Einfluss auf das makroökonomische System ausübt. Dadurch wandeln sich die Gewinnaussichten. Die anschließende Boomphase ist zunächst realwirtschaftlich begründet. Allerdings verstärkt dieser Boom die Ausdehnung von Bankkrediten, so dass spekulative Anreize entstehen, am „leichten“ Geldverdienen teil zu haben. Dadurch werden immer größere Bevölkerungsschichten angezogen, ohne dass diese die grundlegenden Prozesse nachvollziehen können. Die Aktivität dieser Anleger verlagert sich – dann unterstützt durch unseriöse Ratgeber und Anbieter – von werthaltigen zu minderwertigen Anlageobjekten.Trend verstärkend wirkt in diesem Zusammenhang die Rolle der Analysten und Medien. Medien bereiten die Informationen für ihre Leser und damit für potenzielle Investoren selektiv auf. Da der Absatz der Printmedien mit der Stimmung der Leser korreliert, neigen sie in Boomphasen dazu, ihre Berichterstattung sehr emotional und optimistisch zu gestalten.Durch Verkäufe von Insidern, sich häufende Betrugsfälle, Unternehmenspleiten und enttäuschte Investoren kann der Aufwärtstrend unvermittelt in einen Crash münden. Müssen dann aufgrund von Überschuldung vermehrt Anleger ihre Depotbestände liquidieren, gewinnt der Crash an Eigendynamik.III. Erklärungsmodelle für BubblesDie neoklassische Finanzierungstheorie impliziert rational handelnde Investoren im Sinn des Homo Oeconomicus. In dieser artifiziellen Welt werden sämtliche Informationen unmittelbar in die Kurse eingearbeitet. Bubbles können nicht entstehen, denn die Marktpreise der Börsentitel entsprechen deren fundamentalen Werten, so dass letztlich keine Motivation zum Börsenhandel besteht. Dies steht im Widerspruch zu den an den Börsen täglich beobachtbaren hohen Umsätzen. Die Anhänger der neoklassischen Finanzierungstheorie müssen folglich eingestehen, dass das Bild des Homo Oeconomicus nicht der Realität entspricht.Experimentelle Untersuchungen belegen, dass die Ursachen für systematisch auftretende Verhaltensanomalien bei Investoren durch Heuristiken erklärt werden können, derer sich das menschliche Gehirn sowohl bei der Informationsaufbereitung als auch bei der Informationsverarbeitung bedient. Heuristiken repräsentieren Daumenregeln, die aus vergangenen Erfahrungen gesammelt werden und Zusammenhänge in vereinfachter Weise aufbereiten. Die Anlageentscheidungen können deshalb von denen rational handelnder Investoren erheblich abweichen. So tendieren Anleger dazu, aktuell unerwartete Informationen höher zu gewichten als weiter zurückliegende Informationen. Märkte neigen daher zu Über- und Unterreaktionen.Systematisch begrenzt rationales Verhalten kann letztendlich zu „falschen Informationskaskaden“ und Bubbles führen. Händler limitieren zu Preisen, die nicht ihren privaten Informationsgehalt widerspiegeln. Sie fürchten, vom Trend abzuweichen und folgen dem irrationalen Verhalten anderer Marktteilnehmer. Aus falschen Informationskaskaden kann so irrationales Herdenverhalten entstehen, das sich zu einer „Self-fullfilling Prophecy“ entwickelt. Wer dieses Fehlverhalten richtig prognostiziert und sich dem Trend anpasst, handelt damit aus seiner Sicht der Nutzenmaximierung nicht einmal mehr irrational. Etabliert sich als Folge einer Self-fullfilling Prophecy ein positiver Trend, so beteiligen sich zunehmend neue Anlegerschichten an der Hausse. Dieses Phänomen führt zur Etablierung eines explodierenden Preistrends, mit dem Ergebnis einer Bubble-Crash-Sequenz. Sobald keine weiteren Investoren mehr gefunden werden, die bereit sind, die überbewerteten Börsentitel zu noch höheren Preisen zu kaufen, platzt die Bubble.IV. AusblickDie Kenntnis der Ursachen von Bubbles und die Endlichkeit ihrer Existenz werden die Anleger in Zukunft nicht davor bewahren, neue Bubbles zu verursachen und sich vom Crash überraschen zu lassen. Die Rahmenbedingungen zukünftiger Bubbles werden durch neue Technologien und Marktteilnehmer geprägt; typische Muster menschlichen Verhaltens, wie Gier, Euphorie und Herdenverhalten bleiben aber bestehen. Selbst nach weiterer Erforschung dieser Verhaltensweisen dürfte es der Psychologie und Kapitalmarkttheorie kaum gelingen, das Entstehen zukünftiger Bubbles signifikant zu terminieren.
Lexikon der Economics. 2013.